In Zeiten, in denen nahezu alle
jemals gespielten und einigermaßen bedeutsamen Schachpartien auf
Knopfdruck digital zur Verfügung stehen, und beliebig verästelte,
rechnergenerierte Analysen – inklusive weitreichender Kommentare – per
Mausklick abrufbar sind, schlägt dieses Buch einen anderen Weg ein: Den
Nachspielenden soll die Ästhetik des königlichen Spiels in
überschaubarer Art und Weise vor Augen geführt werden.
64 Unsterbliche Schachpartien ist eine
Sammlung schachlicher Kunstwerke aus 400 Jahren Schachgeschichte: Von
den alten Meistern aus der Zeit eines Ruy López im Spanien des 16.
Jahrhunderts – bis in die Gegenwart des aktuellen Weltmeisters Ding
Liren aus China findet man hier nachvollziehbar kommentierte Partien,
die allesamt Geschichte geschrieben haben.
Diese stammen nicht immer aus den
Wettkämpfen der Giganten des Schachsports, denn Glanzpartien wurden über
die Jahrhunderte nicht nur in den großen Turniersälen auf die Bretter
gezaubert. Aber selbstverständlich finden sich hier auch fast alle
Weltmeister der Geschichte, neben den weithin bekannten Heroen wie
Lasker, Capablanca oder Fischer auch die oft vom Vergessen bedrohten
Genies wie Anderssen, Morphy oder Steinitz.
Abgerundet wird die Sammlung durch
historische Abrisse der jeweiligen Schachepochen und Einblicke in die
Biographien der Meister und Meisterinnen hinter den Partien und an den
Brettern.
Die Autoren, Roland Voggenauer und
Carsten Peters, zählen sich zu der Masse der schachbegeisterten
Amateure, denen sie mit dieser Sammlung einen soliden Überblick über die
Perlen des Schachsports geben wollen.
220 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension
von Jörg Palitzsch im November 2024
Roland
Vogenauer und Carsten Peters präsentieren mit „64 unsterbliche
Schachpartien“ ein Werk, das sowohl Schachliebhaber als auch
Historiker in Interesse entfacht. Die Autoren haben eine Sammlung von
Partien zusammengestellt, die die Entwicklung des Schachspiels über
400 Jahre hinweg dokumentiert. Jede Partie steht nicht nur für sich
als kunstvoller Höhepunkt, sondern erzählt auch von den jeweiligen
Epochen, den prägenden Spielern und dem Wandel des Denkens in der
Schachwelt.
Das Buch ist chronologisch aufgebaut und nimmt den
Leser mit auf eine Reise durch die Schachgeschichte, beginnend mit
den klassischen Partien der alten Meister wie der Begegnung zwischen
Smith und Philidor in London 1790. Diese frühen Beispiele zeigen,
wie das strategische Verständnis der Zeit aussah und wie Schach sich
als intellektuelle Kunst etablierte.
Mit den Kapiteln über die
ersten Schachprofis, darunter Wilhelm Steinitz und Harry Nelson
Pillsbury, dokumentieren die Autoren den Übergang zu einer
systematischen Herangehensweise an das Spiel. Hier erfährt man, wie
Steinitz die Grundsätze der Positionslehre einführte, die bis heute
das Fundament des modernen Schachs bilden.
Besonders
aufschlussreich ist der Abschnitt über die Spieler der „neuen
Schulen“ und die technischen Revolutionen, die mit Persönlichkeiten
wie Botwinnik und Capablanca verbunden sind. Die Partie Botwinnik
gegen Capablanca 1943 in Montevideo ist ein Paradebeispiel für die
aufkommende Wissenschaftlichkeit im Schach.
Das Buch endet mit
den modernen Giganten wie Fischer und Spasski, deren Duell in
Reykjavik 1972 eines der berühmtesten Schachereignisse überhaupt
ist, und schließlich mit den neuen Meistern wie Magnus Carlsen.
Dessen Partie gegen Boris Gelfand 2014 in Zürich demonstriert, wie
weit die Schachwelt seit den Tagen von Philidor gekommen ist.
Ein
großer Pluspunkt des Buches sind die historischen Einordnungen und
Abrisse, die jeder Partie vorangestellt sind. Vogenauer und Peters
verknüpfen die Partien geschickt mit den Zeitumständen und den
Biografien der Spieler. So entsteht ein lebendiges Bild der
Entwicklung des Spiels und der Persönlichkeiten, die es geprägt
haben.
Die größte Stärke des Buches liegt in seiner
Vielseitigkeit. Es ist gleichermaßen ein Lehrbuch, ein
Geschichtsbuch und eine Sammlung ästhetischer Höhepunkte. Jede
Partie wird detailliert kommentiert, wobei die Autoren eine Balance
zwischen technischen Analysen und narrativen Erläuterungen finden,
die sowohl Anfänger als auch fortgeschrittene Spieler
ansprechen.
Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass einige der
Kommentierungen für absolute Neulinge im Schach etwas anspruchsvoll
sein könnten. Für Leser, die keine Erfahrung mit Schachnotation
oder strategischen Konzepten haben, wäre ein einleitendes Kapitel zu
den Grundlagen des Spiels hilfreich gewesen.
Trotzdem: „64
unsterbliche Schachpartien“ ist ein bemerkenswertes Werk der
Schachliteratur. Es verbindet kunstvolle Partien mit einem tiefen
historischen Verständnis und würdigt die Meister, die das Spiel
geprägt haben. Für jeden, der sich für die Geschichte des Schachs
interessiert, ist dieses Buch ein absolutes Muss. Es wird den Leser
inspirieren, die Schönheit und Tiefe des Schachspiels neu zu
entdecken. Eine wahre Schatzkammer schachlicher Kunstwerke – eine
Reise durch die Epochen, die nicht nur das Spiel, sondern auch die
Spieler selbst unsterblich macht.
Rezension von
Stefan Liebig im November 2024
Liebhaber
von Partiesammlungen kommen mit diesem Buch voll auf ihre Kosten. Es
möchte den Lesern die Schönheit und Tiefe des Schachspiels auf eine
zugängliche und ästhetische Weise näherbringen. Und ob man es
glaubt oder nicht, die Auswahl beginnt mit folgenden Zügen: 1.e4 e5
2. Lc4 Sc6 3.Df3?! d6? 4.Dxf7 matt, gespielt zwischen „irgendwer“
und „irgendwer“, überall, jederzeit. Dem Schäfermatt, folgen
dann das Narrenmatt sowie die zweifelhafte Damiano-Verteidigung. Doch
keine Sorge – das Niveau der Partien steigert sich rapide, denn „64
Unsterbliche Schachpartien“ ist eine Sammlung von Meisterwerken aus
400 Jahren Schachgeschichte. Ergänzt wird die Sammlung durch
historische Einblicke in die jeweiligen Epochen der Schachgeschichte
sowie Portraits der Meister und Meisterinnen hinter den Partien. Die
Auswahl der Partien reicht von den frühen Aufeinandertreffen der
Schachmeister der Renaissance, wie Ruy López im Spanien des 16.
Jahrhunderts, bis hin zu Partien vieler berühmter Weltmeister wie
Lasker, Capablanca und Fischer und dem (noch) amtierenden
chinesischen Weltmeister Ding Liren. Die Partien sind sorgfältig
kommentiert und mit Kurzporträts der Meister versehen, sodass ihre
historische Bedeutung und strategische Tiefe für den Leser
verständlich werden.
Die
Autoren, Roland Voggenauer und Carsten Peters, sind selbst
begeisterte Amateure, die mit diesem Werk allen Schachinteressierten
einen umfassenden Überblick über einige der größten und
faszinierendsten Partien der Schachgeschichte bieten möchten.
Die Rolle, die insbesondere jüdische
Meisterspieler, Problemkomponisten, Turnierorganisatoren, Verleger,
Autoren und Mäzene für die Entwicklung des Schachs in Deutschland
gespielt haben, ist bislang kaum systematisch zusammengefasst und
illustriert worden. Diesem Manko soll mit diesem Buch ohne Anspruch auf
Vollständigkeit ein wenig abgeholfen werden.
Der Autor – Ulrich Geilmann – war
bislang eher für belletristische Themen bekannt. Seine Einzelwerke
fanden ihre Leserschaft v. a. bei den Schachfans, die das königliche
Spiel einmal aus einer anderen Perspektive erleben wollten. Geilmann
spricht nun wieder den schachhistorisch interessierten Spieler an.
Ulrich Geilmann wurde 1963 in Essen
geboren und wohnt am Niederrhein. Er ist diplomierter Raumplaner und im
öffentlichen Dienst tätig. Als profunder Hobbyschachspieler und Mitglied
der Emanuel Lasker Gesellschaft kennt sich Geilmann in der deutschen
Schachszene gut aus. War er doch zwischen 2007 und 2016 Teamchef einer
Schachbundesligamannschaft und bis 2023 Vizepräsident des
Schachbundesliga e. V..210 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension
von Jörg Palitzsch im November 2024
In
seinem Buch „Jüdische Schachmeister aus Deutschland“ beleuchtet
Ullrich Geilmann ein faszinierendes und zugleich berührendes Kapitel
der Schachgeschichte, das von tragischen Schicksalen, großen
Talenten und herausragenden intellektuellen Leistungen geprägt ist.
Der ehemalige Vizepräsident der Schachbundesliga e.V. porträtiert
jüdische Schachmeister wie Siegbert Tarrasch, Emanuel Lasker, Bruno
Moritz und Hans Berliner und zeigt eindrucksvoll ihre bedeutende
Rolle und Mitwirkung in der Entwicklung des deutschen und
internationalen Schachs.
Die sorgfältig zusammengestellten
Kurzbiografien lassen die Lebensgeschichten dieser Schachgrößen
lebendig werden und offenbaren nicht nur ihre schachlichen
Errungenschaften, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen
Herausforderungen, denen sie sich zu ihrer Zeit stellen mussten.
Geilmann verbindet historische Perspektiven mit taktischem Tiefgang
und hat für Schachliebhaber eine Fülle an Material bereitgestellt:
47 Partien und 55 Schachaufgaben, die zum Nachdenken und Analysieren
einladen und Einblicke in die Spielstrategien dieser Meister bieten.
Ein umfangreiches Partien- und Literaturverzeichnis ermöglicht eine
Vertiefung in die einzelnen Biografien. Hinzu kommt eine Einführung
in das Thema.
Ein Fokus des Buches liegt auf dem Leben von
Emanuel Lasker, dem zweiten offiziellen Schachweltmeister, der für
seine originellen und strategischen Partien bekannt war und als eine
der größten Figuren der Schachgeschichte gilt. Auch Siegbert
Tarrasch, dessen Einfluss auf die Theorie und Didaktik des Schachs
bedeutend war, wird mit Tiefe und Respekt gewürdigt. Hinzu kommen
eher unbekannte Namen, die Ullrich Geilmann mit zahlreichen Fußnoten
dem Leser nahebringt.
Das 208-seitige Buch ist eine wertvolle
Sammlung für Schachbegeisterte und Historiker gleichermaßen. Die
Mischung aus biografischen Einblicken und anspruchsvollen Partien
schafft ein Leseerlebnis, das sowohl Wissen vermittelt als auch den
Geist herausfordert. Für Spieler und Leser, die mehr über die
jüdischen Wurzeln und die Geschichte des Schachs erfahren möchten,
ist dieses Buch eine unverzichtbare Lektüre. Geilman, bislang als
Autor belletristischer Schachbücher bekannt, spricht nun wieder den
schachhistorisch interessierten Leser an.
Rezension
von Stefan Liebig im Oktober 2024
In
seinem neuesten Werk „Jüdische Schachmeister aus Deutschland“
setzt sich Ulrich Geilmann mit der bedeutenden Rolle jüdischer
Schachspieler, Turnierorganisatoren, Autoren und Mäzene für die
Entwicklung des Schachs in Deutschland auseinander. Bislang wurde
diese Thematik nur sporadisch behandelt. Der Autor wirkt dem
entgegen, indem er die Lebensgeschichten von 35 jüdischen
Schachpersönlichkeiten präsentiert.
Geilmann
hat schon eine ganze Reihe – auch im Schach-Magazin 64 vorgestellte
– Bücher veröffentlicht. Neben seinem belletristischen
Schwerpunkt, etwa „Petersburger Rochade“ oder „Aljechin“,
veröffentlichte er auch Biografien von Boris Spasski und Sultan
Khan. Nun widmet er sich also einem weiteren Sachbuch und spricht
gezielt die schachhistorisch interessierten Leser an. Er hat
gründlich recherchiert und trägt sowohl bekannte Größen wie
Emanuel Lasker, Siegbert Tarrasch und Richard Teichmann als auch
weniger bekannte Persönlichkeiten in seinen Berichten zusammen.
Der
Autor beschäftigt sich auch mit Spielern, die ins Exil gegangen
sind. Eine verständliche Entscheidung, denn Spieler, die nicht
durchgehend in Deutschland lebten oder den Glauben wechselten, hatten
dafür oft gravierende Gründe. Solche Entscheidungen könnten oft
aus Verfolgung und Bedrohung resultieren, besonders im Kontext des
aufkommenden Nationalsozialismus.
Geilmann
ergänzt die Kurzbiografien um analysierte Schachpartien, die die
Leistungen der dargestellten Meister hervorheben und die Leser sowohl
unterhalten als auch fordern sollen. Zudem bietet das Buch 55
Schachaufgaben, die aus den Spielen der Porträtierten stammen.
Zusätzlich
stellt der Autor weitere Persönlichkeiten vor, die keinen eigenen
Abschnitt erhalten haben, um sicher zustellen, dass ihre Beiträge
nicht in Vergessenheit geraten. Das absolut lesenswerte Buch ist
somit nicht nur eine Würdigung jüdischer Schachmeister, sondern
auch eine wertvolle Ergänzung zur in diesem Bereich noch
ergänzungswürdigen Schachliteratur. Nebenbei liefert es sehenswerte
und für die Schachentwicklung interessante Partien.
Rezension
von Uwe Bekemann im August 2024
Mit
„Jüdische Schachmeister aus Deutschland“ begibt sich der Autor
Ulrich Geilmann, der seine Autorentätigkeit bislang vor allem auf
belletristische Werke konzentrierte, auf das Gebiet der Sachbücher
zum Schachspiel. Seine neue Arbeit ist 2024 im Joachim Beyer Verlag
erschienen.
Der
Leser erhält Kurzbiografien zu 35 Schachspielern mit deutschen
Wurzeln, soweit sie jüdischem Glaubens waren. Mit Schachspielern
sind dabei nicht nur meisterliche Könner auf den 64 Feldern gemeint,
sondern auch Turnierorganisatoren, Verleger, Autoren und Mäzene wie
auch Problemkomponisten. Sie alle haben die Entwicklung des
Schachspiels in Deutschland mehr oder weniger intensiv beeinflusst.
Zu den Porträtierten zählen sehr bekannte Persönlichkeiten wie
natürlich Emanuel Lasker, Siegbert Tarrasch, Johannes Zukertort,
Jacques Mieses oder Richard Teichmann, aber auch Schachenthusiasten,
deren Namen mir bisher unbekannt waren. Es ist der offenkundig
intensiven Recherchearbeit des Autors zu verdanken, dass auch für
die weniger bekannten Persönlichkeiten so viel Stoff
zusammengetragen werden konnte, dass sich zumindest eine
Kurzbiografie lohnte. Die verwendeten Quellen hat Geilmann jeweils in
Fußnoten bezeichnet, die einer breiten Palette zuzuordnen sind.
Ob
eine porträtierte Persönlichkeit nicht durchgängig in Deutschland
gelebt hat oder vielleicht auch zu einem anderen Glauben konvertiert
ist, spielte keine Rolle in den Aufnahmekriterien des Autors.
Soweit
die Quellenlage dies zuließ, hat Geilmann die Kurzbiografien um
Partien ergänzt, wobei die Kommentierung aus seiner eigenen Feder
stammt. Die Beschäftigung mit diesen Duellen, die teilweise schon
(mehrfach) in der Literatur abgebildet worden sind, dient der
Unterhaltung des Lesers, aber auch der Veranschaulichung, wie hoch
die Leistungen der alten Meister teilweise auch heute noch
einzuschätzen sind. Ebenfalls der Unterhaltung, aber auch der
Herausforderung des Lesers, dienen insgesamt 55 an diesen gerichtete
Schachaufgaben, die Geilmann aus dem Wirken des jeweils Porträtierten
abgeleitet hat. Entsprechend kommt auch die Beschäftigung mit dem
Schachspiel selbst in diesem Buch nicht zu kurz.
In
Ergänzungen werden dem Leser weitere Personen nähergebracht, für
die der Autor kein eigenes Kapitel einfügen konnte. Auch in diesen
Fällen wirkt er einem Vergessen in der Schachwelt entgegen.
„Jüdische
Schachmeister aus Deutschland“ ist kein politisches Buch, aber es
ist ein Buch, das der Politik näher kommt als die meisten anderen
Schachbücher. Ich habe oben schon erwähnt, dass Geilmann seine
Kurzporträts unabhängig davon erstellt hat, ob die Porträtierten
durchgängig in Deutschland gelebt haben oder den jüdischen Glauben
im Laufe ihres Lebens abgelegt haben. Diese Entscheidung ist
natürlich vollends nachvollziehbar, denn beispielsweise eine
Auswanderung oder auch eine Abkehr vom Glauben konnte allein die
Konsequenz aus Verfolgung, Entrechtung und Gefahr für Leib und Leben
der Menschen sein, die ihnen in Deutschland drohten. Nicht von
ungefähr fallen zahlreiche Auswanderungen in die Zeit des
(aufziehenden) Nationalsozialismus.
Ulrich
Geilmann hat ein sehr informatives und auch unterhaltsames Werk
geschaffen, das eine bisher in der Literatur klaffende Lücke
geschlossen hat. Und er sorgt dafür, dass die Anstrengungen und
Leistungen der jüdischen Schachmeister, denen das Schachspiel in
Deutschland sehr viel zu verdanken hat, in Ehren gehalten und nicht
vergessen werden.
Fazit:
Ich empfehle dieses Werk jedem Schachfreund, der auch
schachhistorisch interessiert ist.
Dieses Buch ist eine Fortsetzung des Werkes „Ein langes Schachjahrhundert 1894 - 2000". Die einzelnen Jahresbeiträge von 2001 bis 2020 sind wieder in der gleichen Art und Weise wie zuvor aufgebaut: Einem umfangreichen zeitgeschichtlichen Teil schließen sich ein Nachruf auf bedeutende Persönlichkeiten und ein kompakter Sportteil an. Danach werden die wichtigsten Schachereignisse eines Jahres gewürdigt, gefolgt von Schachnachrichten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einem Nachrichtenblock im Telegrammstil. Den Abschluss des Textteils bilden die Top Ten der Welt für die Monate Januar und Juli sowie ein Nachruf. Jedes Jahr wird von einem statistischen Teil mit Tabellen und Endständen bedeutender Turniere abgeschlossen. Über das ganze Jahr verteilt befinden sich Schachpartien durchlaufend in der rechten Spalte.
Im Vergleich zum Vorgängerbuch gibt es eine stärkere Gewichtung auf Schach, was u.a. wegen viel mehr Turnieren im Topbereich notwendig geworden ist. Außerdem wird jetzt dem nationalen Schach – vor allem Deutschlands, aber auch Österreichs und der Schweiz – mehr Raum gewidmet. Und im Unterschied zum oben genannten ersten Buch (mit jährlich ein bis zwei Partien) sind diesmal pro Jahr durchschnittlich fünf Partien ausgewählt worden – viele davon in Wahlen zur Partie des Jahres ganz weit oben stehend. Mit vielen Diagrammen und Einführungen zu jeder Partie wird das Nachspielen vom Blatt ermöglicht.
Das erwartet Sie:
• 20 Jahrestexte Zeitgeschichte inklusive Sport, Kuriosa, Nachruf
• die wichtigsten Schachereignisse sowie die Top Ten Januar und Juli
• neu: Schachnachrichten Deutschland/Österreich/Schweiz
• Tabellen der wichtigsten Turniere und Matches
• 100 sorgfältig ausgewählte Partien des Jahres plus Einführung404 Seiten, gebunden, Grossformat, Joachim Beyer Verlag
Rezension
von Uwe Bekemann im Dezember 2023
Mit
„Ein langes Schachjahrhundert 2001-2020" von Rainer Knaak und
Burkhard Starke (+ 23.2.2021), Joachim Beyer Verlag 2022, möchte ich
heute ein ganz besonderes Schachbuch besprechen. Es verbindet die
allgemeine Zeitgeschichte mit der Geschichte des Schachspiels und hat
mich in Vorbereitung dieser Rezension komplett in seinen Bann
gezogen.
Zunächst
zum Titel: Auf den fast 400 Seiten des Werkes findet der Leser, in
chronologischer Reihenfolge der Jahre, eine Zusammenfassung wichtiger
zeitgeschichtlicher Ereignisse wie auch aus der Welt des
Schachspiels. Aus dieser sind es u.a. Turniere, Partien und
(Spieler-)Persönlichkeiten, über die die Autoren schreiben, und
zwar allesamt aus dem Zeitraum 2001-2020 und nicht etwa aus 100
Jahren. Es gibt jedoch aus 2002 schon einen ersten Band „Ein langes
Schachjahrhundert 1894-2000", der die Namensgebung somit
erklären kann.
Man
fragt sich, wo die Jahre geblieben sind, wenn man liest, dass die
Geschichte für 2001 mit den Terroranschlägen „nine eleven"
eingeführt wird, für 2002 mit der Euro-Einführung und für 2003
mit der Erweiterung der Europäischen Union um 10 Länder sowie mit
der Katastrophe der US-Raumfähre Columbia. Dies gilt aber nicht nur
für das Weltgeschehen allgemein, sondern auch für das Schachspiel.
Liegt es wirklich schon 18 Jahre zurück, dass Garri Kasparow mit
Linares 2005 sein letztes Turnier bestritten hat, und die
Weltmeisterschaft zwischen Viswananthan Anand und Wladimir Kramnik in
Bonn und die Schacholympiade in Dresden, beide 2008, vor 15 Jahren in
Deutschland ausgetragen worden sind?
Die
Autoren haben ein Buch zum Schmökern, zum Nachschlagen, zum
Sich-Erinnern und nicht zuletzt zur unterhaltsamen Entspannung
geschaffen.
Neben
viel Lesestoff und Tabellen enthält es über die Seiten hinweg 100
denkwürdige Partien, wobei deren entscheidende Momente als
Kurzkommentar vorangestellt sind. Zahlreiche Diagramme unterstützen
beim Nachspielen mit und ohne Brett.
Es ist als echter Allrounder auch als anspruchsvolles Geschenk für
passionierte Schachspieler geeignet.
Fazit:
Wie meiner Besprechung unschwer zu entnehmen sein wird, bin ich von
diesem Buch begeistert. Entsprechend kann ich es demjenigen, der sich
von meiner Beschreibung angesprochen fühlt, ohne Wenn und Aber
empfehlen.
Rezension
von Jörg Palitzsch im Januar 2023
Ein
Nachschlagewerk zur Zeitgeschichte, ein spannendes Lesebuch, ein
Schachbuch, in dem die wichtigsten Turniere und Partien zu finden
sind. Die Fortsetzung des opulenten Werkes „Ein langes
Schachjahrhundert 1894-2000“ ist nicht nur für Leser historischer
Ereignisse, sondern auch für Schachhistoriker interessant, die sich
mit Tabellen, Diagrammen und Endständen informieren wollen. „Ein
langes Schachjahrhundert 2001-2020“ der beiden Autoren
Rainer Knaak und Burkhard Starke, er verstarb im Februar 2021, weist
allerdings einige Änderungen auf. Dem Schachspiel wurde weitaus mehr
Platz eingeräumt als im ersten Band, neu sind Schachnachrichten aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auf fast jeder Seite gibt
es Diagramme und Einführungen in ausgewählte Partien, die ein
Nachspielen möglich machen. Am Ende sind alle 100 Partien
aufgelistet. Eingebettet sind diese Partien in kurze und knapp
gehaltene Ereignisse aus aller Welt. Dabei werden der Tourismus, die
Weltraumforschung und selbst die Nobelpreise nicht ausgespart. Selbst
ein Blick wird auf die Bildung, die Wirtschaftskriminalität und
Migration geworfen. Hinzu kommen kurze Biografien verstorbener
Schachspieler. Sehr umfangreich ist die Sport-Rubrik, die sich, außer
den Notizen zu den Schachereignissen, erfreulicherweise im Rahmen
halten. Wenn auch die Anordnung der einzelnen Kapitel auf den ersten
Blick etwas ungeordnet wirkt, so folgt sie doch einem einfachen
Prinzip. Kein Jahr ist wie das andere, es wurden in der Auswahl
unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und erhebliche Erweiterungen
hinzugefügt. Hier gleicht dieses Werk ganz dem Abspiel einer
Schachpartie, die sich nach den ersten Zügen immer weiter aufbaut.
Elo-Listen und vor allem die informativen Spielerbiografien sind ein
echter Lesergewinn. Dabei sind Anand, Carlsen, Caruana, Karjakin,
Kramnik und Topalow, über die man viel erfahren kann. Fazit: „Ein
langes Schachjahrhundert 2001-2020“ hat die Ausstrahlung eines
Lexikons, geht mit seinen umfangreichen Informationen allerdings
einen großen Schritt weiter. Mit dem Vorgängerband wird ein Bogen
in die Schachwelt der Gegenwart geschlagen, die nicht minder spannend
ist. Darüber hinaus hat das Buch auf 400 Seiten einen hohen
Unterhaltungswert.
Das zwanzigste Jahrhundert brachte nicht nur in solchen Bereichen eine wahrlich sprunghafte Entwicklung mit sich, die von allgemeinem Interesse sind (wie dem historischen und wissenschaftlichen), sondern auch in solchen, die nur für geringe Teile der Weltbevölkerung von Bedeutung sind – wie beispielsweise für das eingeschworene Völkchen der Schachspieler.
Es kommt selbstredend einer Mammutaufgabe gleich, über diesen Zeitraum von gleich mehreren (Schach-)Epochen einen Überblick bieten zu wollen, und entsprechend war gleich ein ganzes Team von Autoren am Werk – außer den auf dem Titel genannten auch die bekannten Meisterspieler Albin Pötsch, Martin Breutigam und Gisbert Jacoby.
Das fertige Produkt bietet eine solche Fülle von Partien und Informationen, dass wohl kaum ein wichtige Frage offen bleibt. So wurden 150 herausragende Partien dieses Jahrhunderts sorgfältig ausgewählt und (mit mehr als 700 Diagrammen) versehen. Ausführliche Kommentare zu diesen Partien finden Sie auf jeder Mega-Database von ChessBase. Auch werden fast 100 Spitzenspieler dieser Zeit mit Kurzbiografien und Porträtfotos gewürdigt.
Und auch für Leser, die ein Interesse an zusätzlichen Informationen haben, bietet dieses Buch eine wahre Fundgrube. So gibt es alle FIDE-Weltranglisten (Top Ten) seit deren Einführung 1970; 100 Turniertabellen von allen Weltmeisterschaften, Schacholympiaden und sonstigen Topturnieren; einen Blick auf Schach-Rekorde (wie z.B. im Simultan und Blind-Simultan) sowie das Erscheinen wichtiger Schachbücher.
Abgerundet wird das Ganze von Kuriositäten und markanten Ereignissen aus der Sportgeschichte ganz allgemein – sowie der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts, wobei insbesondere Ereignisse und Entwicklungen mit Bezug zum Schach oder zum Sport allgemein berücksichtigt wurden.
Grossformat 21,4 x 30,1 cm, 1,9 kg !
572 Seiten, gebunden, Leseband, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Jörg Palitzsch im Januar 2018
Das 20. Jahrhundert war eine Zeit der politischen Umwälzungen, gesellschaftlicher Veränderungen, aber vor allem ein Jahrhundert der Kriege. Wer dieses Jahrhundert mit den Epochen der Schachgeschichte verschränken will, steht vor einer Mammutaufgabe. Die Autoren Rainer Knaak (Großmeister) und Burkhard Starke, bis 1971 Spieler der Leipziger Oberliga, haben sich dieser Aufgabe gestellt und mit „Ein langes Schachjahrhundert 1894 – 2000“ ein umfassendes Nachschlagewerk niedergeschrieben, das jetzt in zweiter Auflage im Joachim Beyer Verlag erschienen ist.
Mit Beginn des 20. Jahrhundert starb 1900 in London Ex-Schachweltmeister Wilhelm Steinitz. Er wurde 1894 von Emanuel Lasker von Thron gestoßen, der diesen Titel anschließend 27 Jahre lang bis 1921 behauptete. Während die Welt langsam aus den Fugen geriet, etwa durch den Burenkrieg, den Boxeraufstand und den Ersten Weltkrieg, prägten das Schachspiel in den Anfangsjahren des Jahrhunderts große Persönlichkeiten. José Raúl Capablanca betrat 1901 die Bühne und wurde mit 13 Jahren Landesmeister von Kuba. 20 Jahre später durfte Alexander Aljechin – den Wirren der Oktoberrevolution entkommen – aus Russland ausreisen, und siegte 1921 in Turnieren in Budapest und Den Haag.
Das Buch „Ein langes Schachjahrhundert“ nimmt den Leser auf vielen Seiten mit durch die Epochen. Für jedes Jahr von 1894 bis 2000 gibt es zwischen zwei und fünf Seiten, einige wenige Jahre, wie etwa 1914, 1941 oder 1958 werden mit sechs Seiten abgedeckt, reichlich Lesestoff allemal. Aufgearbeitet werden, wie in einer Enzyklopädie, die wichtigsten politischen und sportlichen Aspekte aus weltweit ganz unterschiedlichen Ländern, ebenso die Nobelpreise und Todestage. Hinzu kommen 100 Turniertabellen von allen Weltmeisterschaften, Olympiaden und hochkarätigen Turnieren, Elolisten und die Top-Ten der besten Schachspieler, gelistet ab dem Jahre 1971. Schon allein aus diesen Gründen ist das Buch ein Gewinn, weil es dem Leser zu unterschiedlichen Themen einen schnellen Überblick verschafft.
Der eindeutige Schwerpunkt liegt auf der Schachhistorie. Beim Blick in die Geschichte sind die Jahre der Nazi-Diktatur von 1933 von besonderer Bedeutung. Mit der Umbildung zum totalitären Einheitsstaat wurden die Rechte der Juden immer weiter eingeschränkt, was sich nachhaltig und negativ auf das Schachleben in Deutschland ausgewirkt hat. Detailliert wird in dem Buch auf die Opfer der Rassenpolitik hingewiesen. Auf Lasker, der aus dem Land vertreiben wurde, ebenso wie auf Rudolf Spielmann und Jacques Mieses. Die Arbeiterschachvereine wurden aufgelöst und nach und nach ging die einst große Schachnation im Terror der Nazis unter. Die Beschreibungen des Schachgeschehens der Jahre von 1933 bis 1945 zählen zu den interessantesten Beiträgen in dem Buch und regen zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema an.
Geschichtsinteressierte Schachspieler werden ebenso im Jahr 1972 tiefer einsteigen, als sich Bobby Fischer, ausgestattet mit einer unglaublichen Elozahl von 2785 aufmachte, die sowjetische Vormachtstellung im Schach mit seinem Sieg gegen Weltmeister Boris Spasski im isländischen Reykjavik zu brechen. Dieser Nervenkrieg, politisch von beiden Seiten ausgeschlachtet und mittlerweile auch Stoff für einen gelungenen Kinofilm, wird in diesem Buch dicht gedrängt und kenntnisreich erzählt. Auch hier gilt: Die komprimierte Form kann Anregung sein, sich weiter mit den spannenden Schachgeschichten dieses Jahrhunderts auseinanderzusetzen. Dazu dient eine vierseitige Literaturliste mit Buchempfehlungen, wobei auf eine Auflistung der ausgewerteten Schachliteratur verzichtet wurde, da sie, so die Autoren, zu umfangreich ausgefallen und dennoch unvollständig geblieben wäre.
Dies ist kein Manko, weil das Buch dem Schachspieler noch viele andere Dinge bietet. Zum Beispiel, über alle Jahre verteilt, 150 herausragende Partien dieses Jahrhunderts mit mehr als 700 Diagrammen. Die Kommentierung dieser Partien sind auf einer DVD mit dem Titel „Mega Database 2018“ von ChessBase zu finden, die man im Fachhandel beziehen kann. Lesenswert sind zudem insgesamt 95 alphabetisch geordnete Kurzbiografien von Alexander Aljechin bis Johann Hermann Zuckertort, die sich, jeweils mit einem Porträtfoto versehen, über rund 50 Seiten erstrecken.
Fazit: „Ein langes Schachjahrhundert 1894 – 2000“ ist kein Lesebuch, sondern ein opulentes Nachschlagewerk mit vielen Facetten. Die kompakten Verflechtungen der Schachgeschichte mit den politischen Ereignissen eines ganzen Jahrhunderts entwerfen ein lebendiges Bild, zeigen viele Zusammenhänge und gehen in ihrer Fülle weit über ähnlich aufgemachte Bücher hinaus. Das Buch zeigt, wenn auch verkürzt, wie sich Schach verändert hat. Von der individuellen menschlichen Denkleistung hin zum Schachspiel gegen unbestechliche Computerprogramme. Spannend wird die Fortschreibung bis zum Jahr 2100 sein.
Vidmar: Goldene Schachzeiten
Mit Milan Vidmars Erinnerungen tauchen wir ein in ein längst vergangenes, „goldenes“ Zeitalter des Schachs, das den Leser noch heute in seinen Bann zieht. In seinen Schilderungen werden die alten Schachlegenden wieder lebendig, die die großen Turniere im Zeitraum 1900 bis 1940 dominiert haben und mit denen er sich am Brett so manchen Kampf geliefert hat. 35 Partien und Partiefragmente, meist mit eigener Beteiligung und von ihm selbst mit luziden Kommentaren versehen, sind eingebettet in Erzählungen, die die faszinierende Atmosphäre in den Turniersälen und Schachcafés jener Tage widerspiegeln. Es sind nostalgisch anmutende Memoiren, die aber keineswegs frei sind von kritischen Gedanken, etwa wenn Vidmar über Auswüchse und Entartungen des Spitzenschachs in der Nachkriegszeit sinniert. Seine Ausführungen sind von bemerkenswerter Weitsicht, und manche seiner Befürchtungen und Klagen haben bis heute ihre Berechtigung nicht verloren.
Dieses fesselnde Alterswerk Vidmars, ein gutes Jahr vor seinem Tod erschienen, ist ein unvergänglicher Klassiker der Schachliteratur und eine unverzichtbare Lektüre für den historisch interessierten Schachfreund. Zeitzeugen, die über die besagte versunkene Ära des Schachs authentisch berichten könnten, sind längst ausgestorben. Vidmar war einer der letzten, und er gehörte zu den Wenigen, die vorzüglich schreiben und dabei glänzend unterhalten konnten. Auch Sie sollten nicht zögern, sich in die „goldenen Schachzeiten“ entführen und verzaubern zu lassen!
280 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Uwe Bekemann im August 2016
Zur Vorbereitung dieser Rezension habe ich das Werk „Goldene Schachzeiten“ mit dem Untertitel „Erinnerungen“ von Milan Vidmar komplett durchgearbeitet. So ist es zu erklären, dass deren Abschluss etwas auf sich warten lassen hat, denn die jetzt aktuelle 4. Auflage ist bereits im fortgeschrittenen Jahr 2015 auf den Markt gekommen. Damit wird ein Klassiker im Joachim Beyer Verlag als Imprint des Schachverlags Ullrich wieder neu verfügbar.
Milan Vidmar, geboren 1885 und gestorben 1962, war nie Schachprofi, und doch zählte er in seinen besten Zeiten zur Weltspitze. Er hat mit den größten Meistern der Vergangenheit gerungen und ihnen oftmals auch die Grenzen aufgezeigt. Von Beruf war er Ingenieur der Elektrotechnik und dann auch Hochschullehrer. Geld verdient hat er auch als Autor, „Goldene Schachzeiten“ war sein letztes Buch.
Wer wie Vidmar über Jahre hinweg aktiv und intensiv ins Turniergeschehen eingebunden war, kann viel erzählen. Und genau das macht er in „Goldene Schachzeiten“. Er hat sehr viele Schachgrößen kennen gelernt, am und auch abseits des Brettes. Er berichtet von Freundschaften und persönlichen Abneigungen, von generösem Verhalten und unschicklichem Tun, von meisterhaften Einfällen bis groben Patzern – schlicht, er berichtet von allem.
Das Werk ist in neun Kapitel gegliedert. Das Inhaltsverzeichnis sieht diesbezüglich wie folgt aus:
1. Nottingham 1936
2. Ein gewaltiges Ringen um die Weltmeisterschaft
3. Die Schachsirene
4. Erinnerungen an S. Tarrasch
5. Das Berufsschachmeisterproblem
6. Die den großen Meistern tickende Uhr
7. Das Fallenstellen in der großen Schachpartie
8. Das Ende eines Weltmeistertraumes
9. Ist das heutige hohe Schach krank?
Mehrere Kapitel bedürfen ein paar weiterer Worte, damit sich der Leser dieser Rezension etwas darunter vorstellen kann bzw. einen Anhalt findet, worum es darin geht.
Im 3. Kapitel geht es um Lockungen und Verführungen des Schachspiels. Es geht darin also nicht um die Sirene als technisches Gerät auf den Dächern des Landes, sondern um Sirengesänge nach mythologischem Vorbild.
Milan Vidmar zählte zu den Bewunderern Siegbert Tarraschs. Und doch hat er sich dessen Ungnade eingefangen, als er in einer für ihn gewonnenen Stellung ein Remisangebot des großen Lehrmeisters abgelehnt und ihn dann geschlagen hat. Die Erinnerungen des Autors sind ambivalent, aber nicht nachtragend.
Samuel Reshevsky – dessen Identität wird aber erst im Verlauf des 6. Kapitels gelüftet – schlug als angeblich erst Fünfjähriger alle Gegner, die ihm am Brett gegenüber Platz nahmen. Alle, nein, nicht alle, denn Vidmar machte dem Lauf ein Ende, ganz zur Enttäuschung des Kindes. Das Alter und dessen Auswirkungen auf die Spielstärke ist ein Kernpunkt aus den Erinnerungen Vidmars, die in diesem Kapitel dem Vergessen trotzen.
Die über dem 9.Kapitel thronende Frage, ob das heutige hohe Schach krank ist, ist aus der Sicht unserer Tage wie das Anschauen des Spielberg-Klassikers „Zurück in die Zukunft“. Vidmar konnte die Entwicklung des Schachspiels natürlich nicht vorausschauen, aber er haderte etwas mit Dingen, die heute nicht nur Realität, sondern auch völlig normal sind. Er sinniert über Bedenkzeitregeln, den „Unfug des Sekundantenwesens“, über das Fernschachspiel und einiges mehr.
Besonders haben mich seine Gedanken zum Fernschach interessiert. Im Ergebnis stellt er für sich fest, dass die Fernschachspieler kein besseres Schach als die Spieler am Brett spielen, sie diesen nicht wirklich ebenbürtig sind und das Fernschachspiel wichtige Fähigkeiten des Brettschachs, z.B. das Rechenvermögen mittels Vorstellungskraft, nicht abverlangt. Und er berichtet über seine eigenen Fernschach-Erfahrungen.
Man muss Vidmar nicht in allen Punkten zustimmen, aber man kann ihm nicht absprechen, an Nahtstellen von kontroversen Sichtweisen angesetzt zu haben.
„Goldene Schachzeiten“ ist ein gelungenes Potpourri aus Berichten und Erzählungen und 35 kommentierten Partien und Partiefragmenten. Das Werk ist höchst unterhaltsam und vermittelt den Eindruck der allzeit authentischen Darstellung. Viel davon betrifft natürlich das Leben und das Wirken Milan Vidmars selbst, aber seine Ausführungen sind zugleich ein weit geöffnetes Fenster in vergangene (Schach-)Zeiten, die vielleicht goldener waren als heute, vielleicht aber auch nicht.
Fazit: „Goldene Schachzeiten“ ist ein Buch, das ich demjenigen wärmstens empfehlen kann, den auch die historische wie die nostalgische Seite des Schachspiels fasziniert. Milan Vidmar hat als Zeuge der Zeitgeschichte Wichtiges, Interessantes oder auch „nur“ Unterhaltsames für ihn zusammengetragen und nett, teilweise auch brillant in Worte gefasst.
Immer wenn sich der Weltmeister im Schach einem Herausforderer zum Kampf um die Krone stellen muss, schaut über den Kreis der Anhänger des königlichen Spiels hinaus die ganze Welt auf dieses Ereignis. So sollte es auch im Dezember 2020 sein, als der Russe Jan Nepomnjaschtschi in Dubai auf den norwegischen Titelinhaber Magnus Carlsen treffen sollte. Die Covid-19-Pandemie setze die Veranstaltung jedoch patt, sie musste in den Herbst 2021 verschoben werden. Ab dem 24. November 2021 wurde das auf 14 reguläre Wettkampfpartien angesetzte Duell dann endlich gestartet.
Für den am Starttag noch 31-jährigen Titelverteidiger war dies bereits der 5. WM-Kampf, sein gleichaltriger Gegner saß erstmals am Brett auf der WM-Bühne. Carlsen ging als Nummer 1 der Weltrangliste und mit einer Elo-Zahl von 2856 als Favorit in das Match. Nepomnjaschtschi nahm die Position 5 ein. Für ihn stand mit 2782 eine um etliche Punkte niedrigere Zahl zu Buche. Dennoch trauten ihm nicht wenige Kenner die Übernahme der Schachkrone zu, denn immerhin war er der einzige Großmeister in der Weltspitze, der eine positive Bilanz gegen Carlsen im klassischen Schach aufwies. Für den Fall, dass die angesetzten 14 Normalpartien zu keiner Entscheidung führen würden, wäre der Sieger in einem Tie-Break aus vier Schnellschach-Partien zu ermitteln, eventuell sogar über weitere Partien im Blitzschach oder als letzte Möglichkeit in einer Armageddon-Partie. Auch in diesen Disziplinen könnte Nepomnjaschtschi eine Chance gegen den Weltmeister haben, wie in mancher Veröffentlichung zu lesen war.
In diesem Buch werden alle Wettkampfpartien ausführlich analysiert und in ebenso unterhaltsamer wie verständlicher Form kommentiert. Zudem werden in vorangestellten Kapiteln die Akteure mit biografischen Skizzen vorgestellt, ergänzt um kommentierte frühere Duelle gegeneinander sowie um Beispiele zu ihrer Endspielführung. Weitere Inhalte wie Interviews und Prognosen zum Kampf runden das Werk ab.170 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Christian Koschetzki im April 2022
Wer kennt Sie nicht – die spannenden WM-Kämpfe der 80er und 90er Jahre zwischen Kasparow und Karpow? Oder auch die fachlich hochwertige Sendereihe von Dr. Helmut Pfleger mit eingehenden Analysen sowie die von ihm geschriebenen WM-Bücher?
Nicht nur darauf zurückblickend, sondern auch unter dem neuen Aspekt des Online-Schachs, haben viele Schachfreunde wohl auch wieder den letzten Weltmeisterschafts-Kampf herbeigesehnt, zumal dem russischen Herausforderer Jan Nepomnjaschtschi speziell aufgrund seiner taktischen Stärke gute Chancen eingeräumt wurden.
Er hatte sich die Herausforderung zu Recht verdient und es wurde spekuliert, ob er es schaffen würde, den amtierenden Weltmeister, mit dem er seit fast 2 Jahrzehnten bestens bekannt ist, zu besiegen. Leider waren bereits die Ereignisse in der 6. Partie entscheidend, denn die Auswirkungen von deren Verlauf führten in der Folge zu einem frühen Ende – und schon nach der 11. Partie zu einem mühelosen Sieg des alten und neuen Weltmeisters Magnus Carlsen.
Das Buch Schach-WM 2021 von Jerzy Konikowski und Uwe Bekemann unter Mitarbeit von Dr. Karsten Müller (erschienen in der 1. Auflage im Dezember 2021) enthält auf 170 Seiten (mit einer Fülle von Diagrammen) neben den elf gespielten und kommentierten Partien eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen und Details.
So gibt es eine historische Einleitung, die einen Überblick über die rund 135-jährige Schachgeschichte von 1886 bis in die Jetztzeit gewährt – vom 1. Weltmeister Wilhelm Steinitz bis zum aktuell 16. Weltmeister Magnus Carlsen.
Auf den folgenden Seiten werden die beiden Kontrahenten in einem auf biografischen Beschreibungen beruhenden Kurz-Portrait vorgestellt – sowie anhand von jeweils fünf Partien, so dass der Leser einen gelungenen Einstieg im Hinblick auf die WM-Partien erhält. In der Folge gehen die Autoren auch auf die zurückliegenden Duelle beider Spieler und ihre Endspielfähigkeiten ein.
Besonders interessant fand ich das 3. Kapitel, das dem Leser die Möglichkeit bietet, anhand von 24 taktischen Stellungen aus den Partien der WM-Protagonisten die eigenen taktischen Fähigkeiten einzustufen.
Somit bietet das Buch dem Leser neben den reinen WM-Ereignissen auch Spaß und Unterhaltung.
Die Autoren scheuen nicht vor dem ausdrücklichen Hinweis zurück, dass konstruktive Kritik erwünscht ist.
Als weiteres Highlight folgt im vierten Kapitel „Prognosen vor dem Kampf“ ein Interview mit Dr. Karsten Müller, in dem er über die Chancen der beiden Kontrahenten Auskunft gibt. Anhand von ausgewählten Endspielen (jeweils fünf von jedem der beiden WM-Kämpfer) erhält der Leser vom weltbesten Endspielexperten fundierte Einblicke in diesen Spielabschnitt.
Weitere Interviews mit dem renommierten rumänischen Großmeister Mihail Marin und dem Präsidenten des Deutschen Schachbundes, Ullrich Krause, runden diesen Teil des Buches ab.
In Kapitel 5 werden die elf WM-Partien analysiert und kommentiert.
Das Buch Schach-WM 2021 ist auch neben der Hauptthematik sehr gut strukturiert. Mittels vieler Zugaben – wie z.B. taktische Aufgaben und Endspielwissen – wird dem Leser viel mehr geboten als nur die Ereignisse rund um die WM. Von daher ist es eine lohnenswerte Lektüre.
Rezension von Christian Hoethe im Februar 2022
Der Weltmeisterschaftskampf zwischen Titelverteidiger Magnus Carlsen und Jan Nepomnjaschtschi ("Nepo") Ende des Jahres 2021 war der sehnlichst erwartete schachliche Höhepunkt für die Millionen Anhänger des königlichen Spiels. Da die Pandemie täglich neue Negativ-Rekorde hinsichtlich Infektionszahlen und Inzidenzen verzeichnete, waren die eigenen Möglichkeiten zur schachliche Partizipation bei Turnieren auf ein Minimum reduziert. Umso sehr freute man sich auf ein spannendes und enges Match um die höchste Krone sowie auf intensive mediale Berichterstattung, um dem trüben Dauergrau des Winter zumindest temporär zu trotzen.
Das neue Buch von Jerzy Konikowski, Uwe Bekemann und Karsten Müller blickt nun zurück auf diesen schachhistorisch in mehrfacher Hinsicht einzigartigen Weltmeisterschafts-Kampf. Es beschränkt sich dabei jedoch nicht nur auf Fotos und die reine Analyse der gespielten Partien oder die schachlichen Interna abseits des Schachbrettes rund um die Weltmeisterschaft.
So befasst sich die Einleitung beispielsweise kurz und prägnant mit allen 15 Weltmeistern vor Carlsen und beschreibt dabei auch Nepos Weg vom Kandidatenturnier zum Herausforderer des Weltmeisters und den jeweiligen Chancen zum Titelgewinn bzw. der -verteidigung.
Im ersten Kapitel werden die Protagonisten dann anhand fünf aktueller Gewinnpartien portraitiert, was mir sehr gut gefallen hat. Hier zeichnen die Autoren ein konkreteres Bild von Nepo und seiner aggressiven Spielweise, den die meisten Schachspieler vor dem Kandidatenturnier wohl nur vage als einen regulären Top 10-Spieler kannten, wohingegen die Partien des Weltmeisters dem Schachkenner naturgemäß geläufiger sind. Dass Nepo dabei in den direkten klassischen Begegnungen mit Carlsen bisher knapp die Nase vorne hatte, verlieh ihm die Aura des Underdogs, der durchaus für eine Überraschung gut sein konnte.
Das zweite Kapitel befasst sich dann mit den vorangegangenen Duellen von Carlsen und Nepo. Dieses Kapitel war für mich, gerade nach dem Ende des WM-Kampfes, besonders interessant. Hier sieht man einen Herausforderer, der zu jeder Zeit ungezügelt aggressiv auf Carlsen zugeht und sich und seinem Spielstil unbeeindruckt treu bliebt.
Im dritten Kapitel kann man sich im Lösen von Kombinationen aus dem Schaffen von Carlsen und Nepo versuchen. Die 24 Aufgaben vermitteln einen recht guten Eindruck der kombinatorischen Fähigkeiten beider Spieler und sind teilweise spektakulär, relativ wenig bekannt und nach meinem Empfinden gut ausgewählt - jedenfalls machen sie durchaus Spaß!
Im vierte Kapitel finden sich dann Interviews mit den Großmeistern Karsten Müller und Mihail Marin sowie dem Präsidenten des Deutschen Schachbundes und Fide-Meister Ullrich Krause zu den Stärken und Schwächen und damit den Chancen beider Spieler. Großmeister Müller befasst sich erwartungsgemäß intensiv mit den Endspielfähigkeiten beider Spieler, wobei mich besonders die Partien Kramnik-Carlsen, Wijk aan Zee 2011 und Carlsen-Caruana, Bilbao 2012 beeindruckt haben. Die Evaluierungen von Großmeister Marin sind gewohnt ausführlich, präzise und gut fundiert. Sein Vergleich von Carlsen mit Fischer ist zweifellos zutreffend, wie viele von Carlsens Gegner mehrfach bestätigt haben. Interessant ist auch seine Feststellung zu Nepos typischer Spielweise in ausgeglichenen Stellungen. Ullrich Krause gibt eine absolut zutreffende Prognose des WM-Matches ab und den von ihm gewünschten Veränderungen in der Schachwelt kann ich nur uneingeschränkt zustimmen!
Das fünfte Kapitel beinhaltet das Herzstück des Buches - die elf kommentierten Partien des WM-Kampfes zwischen Carlsen und Nepo! Hier leben kritische Stellungen neu auf, Fragen zur Eröffnungswahl und -vorbereitung werden fachkundig beantwortet und Endspiele werden fundiert kommentiert, besonders natürlich Carlsens magisch geführtes Rekord-Endspiel über 136 Züge der 6. Partie.
Natürlich gibt es auch spannende Fragen, die die Autoren dieses Buches leider nicht beantworten können, als da wären:
Warum war Nepo kaum vom Spanier wegzubekommen, der ihm nicht auch nur eine einzige realistische Vorteilschance ermöglichte?
Weshalb wechselte ein aggressiver Spieler wie Nepo von seinen Hauptwaffen Sizilianisch Najdorf und Französisch zur ultrasoliden russischen Verteidigung bzw. vom Grünfeld-Inder zum orthodoxen Damengambit gegen Katalanisch?
War diese Spielweise eine Idee seiner Sekundanten oder gar seine eigene?
Aljechin, Spassky und Kasparov mussten im Verlauf ihrer Weltmeisterschaften gegen Capablanca, Petrosjan bzw. Karpow ihre jugendliche Aggressivität auch erst einmal zugunsten einer solideren Spielweise anpassen, um im Match Fuß zu fassen.
Erklären die ungewohnten Mittelspielstellungen seine ungewohnt hohe Fehlerquote und die teils ungewöhnlichen Fehler? Ein Fehler wie 21. ...b5? in der russischen Verteidigung der 8. Partie ist auf WM-Niveau arg selten, aber wann spielt Nepo auch schon einmal Stellungen mit einem König auf f8? Solche Positionen liegen eher Karpow, wie in dessen Match gegen Kamski.
Das Auslassen von 15. b4! und der grobe Bock 27. c5?? in der 9. Partie sind auf GM-Level schon recht unerklärlich, so auch 23. g3?? in der elften und letzten Partie.
Ist der plötzliche Einbruch Nepos nach der 6. Partie wirklich im mentalen Bereich anzusiedeln, nachdem er die ersten fünf Partien so gut mitspielen konnte?
Sind Najdorf und Französisch in Wettkämpfen um die Weltmeisterschaft - wie es Fischer, Kortchnoi und Kasparow erfolgreich spielten - im Engine-Zeitalter nicht mehr praktikabel?
Antworten darauf können nur die Spieler selbst geben - vielleicht in einer eigenen Veröffentlichung ihrer Partien?
Insgesamt haben Konikowski, Bekemann und Müller ein gutes Buch über ein lang erwartetes Match abgeliefert, bei dem man sich des Eindruckes nicht erwehren kann, dass der Herausforderer deutlich unter seinen Möglichkeiten geblieben ist und damit reelle Chancen ausgelassen hat. Dass sich Weltmeister Magnus Carlsen weiterhin konstant auf seinem schachlichen Zenit befindet und ein unerreicht hohes Spielniveau demonstriert, hat diese ohnehin undankbare Aufgabe natürlich deutlich erschwert. Letztlich ist die Dominanz Carlsens auch nach dem Match, z.B. in Wijk aan Zee 2022, unbestreitbar und der Sieg Carlsens gegen Nepo wohl verdient.
Rezension von Jörg Palitzsch im Januar 2022
In diesem Buch gibt es gegen Ende ein Foto von Jan Nepomnjaschtschi, dem unterlegenen Herausforderer von Magnus Carlsen bei der Schach-WM im letzten Jahr in Dubai. Auf diesem Foto lächelt der 31-jährige aus Russland siegessicher in die Kamera – nur entspricht dieses Foto nicht der Realität. Der Großmeister konnte bei der WM Carlsen zwar in den ersten fünf Partien ein Remis abtrotzen, ging dann aber mit 7;5:3,5 Punkten gegen den Norweger unter wie ein Schiff. Das Buch über die Schach-WM 2021 zeichnet nicht nur den Kampf um die Schachkrone nach. Es bietet auf den ersten 100 Seiten Porträts und die Duelle der Kontrahenten, sowie Prognosen in Form von Interviews mit den Großmeistern Karsten Müller (der am Buch mitgearbeitet hat) und Mihail Marin, ergänzt durch Ullrich Krause, Präsident des Deutschen Schachbundes. Alle drei räumten Carlsen mehr Chancen ein als Nepomnjaschtschi, was sich letztendlich auch bewahrheitete. Aufschlussreich auch, wie unterschiedlich der Weltmeister eingeschätzt wurde. Müller attestiert Carlsen ein tiefes Schachverständnis, dessen Gespür für Harmonie an das absolute Gehör von Ausnahmemusikern erinnere. Carlsen habe sich als weitsichtiger Stratege und rücksichtsloser Kämper durchgesetzt, so der Befund von Großmeister Marin, während Krause Carlsen als Top-Spieler mit den besten Nerven bezeichnet. Es sind erhellende Interviews, die zum Kern des Buches, dem Titelkampf mit seinen elf Partien hinführen, die ausführlich kommentiert werden. Zu jeder Partie gibt es eine Einleitung und eine Zusammenfassung. Dies ermöglicht es dem Leser, die Wettkämpfe einzuordnen und macht sie verständlich. Im Nachgang fällen die Autoren dann ein eindeutiges Bild. So sei Carlsen gut auf das Match vorberietet gewesen, nach einem langsamen Start sei er richtig in Fahrt gekommen. „Er bewies einmal mehr, dass er weiterhin keinen gleichwertigen Rivalen hat“, ist nachzulesen. Jan Nepomnjaschtschi habe sich weniger vorbereitet gezeigt und konnte die hohen Erwartungen, die man im Vorfeld in ihn gesetzt habe, nicht erfüllen – ein vernichtendes Urteil.Fazit: Da Schach nicht die mediale Aufmerksamkeit wie etwa Fußball erfährt, gibt dieses gelungene WM-Buch Anlass genug, in einen Schach-Wettkampf mit allen Details einzutauchen. Nachvollziehbar und spannend aufgearbeitet.
Das Duell um die Krone des weltbesten Spielers stellt seit Beginn des Turnierspiels stets den absoluten Höhepunkt im internationalen Schachgeschehen dar. Im November wurde in London in einem Match über 12 Partien sowie einem Tiebreak der Weltmeister ermittelt – zwischen dem Titelverteidiger Magnus Carlsen aus Norwegen und seinem Herausforderer Fabiano Caruana aus den USA.
Im Vorfeld bestand kein Zweifel, dass ein interessantes Kräftemessen bevorstand, schließlich hatten die Protagonisten die ersten beiden Plätze der Weltrangliste inne. Entsprechend fieberte die Schachwelt diesem Ereignis mit großer Spannung entgegen.
Nach seinem Sieg beim Berliner Kandidatenturnier hatte der amerikanische Großmeister auch bei zahlreichen Spitzenveranstaltungen eine großartige Form an den Tag gelegt, und seine diesbezüglichen Erfolge zeigten, dass er ein absolut würdiger Gegner für den Titelverteidiger war.
In diesem Buch werden alle Partien ausführlich analysiert und in ebenso unterhaltsamer wie verständlicher Form kommentiert. Außerdem wird auch den Rahmenbedingungen und der Vorgeschichte des Finales gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. So gibt es beispielsweise die Kapitel Die Kontrahenten im Kurz-Porträt und Die bisherigen Duelle der beiden Protagonisten. Sodann gibt es unter dem Titel Prognosen vor dem Kampf Interviews mit verschiedenen Spitzenspielern und Fachleuten – sowie eine spielerische Möglichkeit, sich mit den Akteuren zu messen: Kombinieren Sie wie Carlsen und Caruana!
190 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Gerd Schowalter im Februar 2019
Die beiden bekannten Autoren haben schon wiederholt gemeinsam Bücher herausgebracht. Aber wenige Tage nach Beendigung des Großereignisses schon ein Buch darüber? Sollte es sich um einen Schnellschuss handeln? Schon auf Seite 15, beim ersten Diagramm eine Ungenauigkeit (nicht Schwarz, sondern Weiß wird zu einer konkreten Entscheidung gezwungen!). Außerdem sorgt auf Seite 81 die "Gratwanderung" mit "d" statt mit "t" geschrieben, für ein leichtes Schmunzeln. Denn Prof. Althöfer meinte mit seiner blumigen Feststellung nicht die Thermometerskala, sondern eine gefährlichen Gebirgspfad, auf dem man abstürzen kann. Also keine Sorge, Freunde, dieses Buch ist sehr gewissenhaft und seriös geschrieben!
Schon vor Beendigung der Weltmeisterschaft ließen sich nämlich mehrere Kapitel erstellen. Dies gilt etwa für die Auflistung aller Weltmeister (S. 10) oder die Prognosen der Experten, der Großmeister Karsten Müller und Artur Jussupow und des Professors Ingo Althöfer (S. 58 ff.) Auch die Kurzporträts der Protagonisten (S. 13 ff.) in Kapitel 1, die bisherigen Duelle (S. 37 ff.) in Kapitel 2 und die Kombinationen von Carlsen und Caruana, die zum Lösen auffordern, stammen aus früheren Turnieren (S. 51 ff.). Die Lösungen (ab S. 56) verraten nichts vorzeitig und lassen den Leser und Löser in einem Punktesystem seine Einordnung vom "durchschnittlichen Vereinsspieler bis zum Großmeister" feststellen (Kapitel 3).
Die Aufstellung der 50 besten Spieler der Welt (Stand 3. Dezember 2018, S. 186) und das Namensverzeichnis (S. 187) konnten natürlich ebenfalls vor Beendigung des Wettkampfes fertig gestellt werden.
Die Partien nehmen natürlich den größten Raum des Buches ein (S. 84 - 184). Sie sind ausnahmslos wiedergegeben, selbst die Spiele des Tiebreaks. Durchgängig finden sich tiefgreifende Analysen, die nicht nur von Konikowski und Bekemann stammen, sondern dankenswerterweise, wie es im Vorwort (S. 7f.) vermerkt ist, von IGM Karsten Müller. Dabei wird nicht selten auf Analysen früherer Partien, besonders im Eröffnungsstadium hingewiesen. Mehrere Fotos der Wettkämpfer, des Spielortes London usw. lockern die Texte auf.
Sehr schön sind auch die gekonnten Zusammenfassungen am Ende einer jeden Partie. Ausreichend vorhandene Diagramme in allen Partien sind für den Leser hilfreich.
Fazit: Dieses Buch über die WM ist keineswegs ein Schnellschuss. Die Autoren haben nicht nur die Vorgeschichte informativ dargestellt, sondern auch alle Partien gewissenhaft für den Leser aufbereitet. Schön sind auch die Aufstellung der bisherigen 16 Weltmeister, der TOP 50 der Welt und die Lösungsaufgaben "Kombinieren Sie wie Carlsen und Caruana".
Wie vom Verlag längst gewohnt, sind Satz und Druck vorbildlich, so dass sich dieses Buch gut einreiht in vergleichbare Werke früherer Weltmeisterschaften. Uneingeschränkte Empfehlung!
Rezension von Jörg Palitzsch im Dezember 2018
Es gibt in diesem Buch zwei Fotos, die die ganze Geschichte dieser Remis-geschwängerten Schach-Weltmeister erzählen. Ein Foto, das Magnus Carlsen etwas irritiert beim Handschlag mit seinem Herausforderer Fabiano Caruana vor der Eröffnung der 8. Partie zeigt und ein Foto, auf dem Carlsen nach dem Sieg freudestrahlend die Siegertrophäe in die Höhe streckt. Am Ende hat es der Norweger nach dem dritten Tiebreak dann doch noch geschafft, seinen Titel zu verteidigen. Versammelt sind in dem Buch „Schach-Weltmeisterschaft 2018“ aus dem Joachim Beyer Verlag alle zwölf Partien, die die beiden Autoren Jerzy Konikowski und Uwe Bekemann akribisch, mit Einleitungen, Kommentaren und jeweiligen Zusammenfassungen aufgearbeitet haben. Dies liest sich beim Nachspielen äußerst kurzweilig und informativ, wenn auch die Spannung angesichts der ständigen Remis-Partien etwas fehlt, was freilich nicht an den Autoren liegt.
Darüber hinaus werden dem Schachfreund eine ganze Reihe weiterer Themen geboten und dies ist ein großes Plus dieser Veröffentlichung. Neben den Partien der WM gibt es zwei Porträts der Kontrahenten und bisherige Duelle. Insgesamt fünf an der Zahl, mit Kommentaren verteilt auf 13 Seiten. Zu finden sind in dem Buch ebenfalls 24 taktische Stellungen, die es ermöglichen, einen Einblick in die kombinatorischen Fähigkeiten von Carlsen und Caruana zu erhalten. Ein Übungstest mit Lösungen, mit dem man seine eigen Stärke testen kann. Abgerundet werden diese Einblicke mit drei Prognosen zur Weltmeisterschaft, bei denen die beiden Großmeister Dr. Karsten Müller und Artur Jussupow sowie der Mathematiker Prof. Dr. Ingo Althöfer zu Wort kommen. Keiner der drei Experten gibt allerdings eine Tipp für einen Sieger ab. Nur: „Für die Schachszene wäre es sicher eine große Belebung, wenn Caruana gewinnen würde“, sagte Althöfer im Vorfeld.
Es kam anders, wie in dem Buch dann auch eindrucksvoll nachzuvollziehen ist. Vor allem in den drei Tiebreak-Partien zeigte Magnus Carlsen seine ganze Stärke und zeigte, dass er nach wie vor der stärkste Spieler der Welt ist.
Fazit: Das Buch über die Schachweltmeisterschaft 2018 lässt den Schachspieler fast hautnah am Wettkampf teilhaben. Ein gelungener Einblick in weltmeisterliches Schach.
Kämpfe um die Weltmeisterschaft stellen seit jeher die absoluten Höhepunkte im internationalen Schachgeschehen dar. Im Spätherbst dieses Jahres trafen in New York City erstmals zwei Vertreter der jungen Generation gegeneinander an, um in einem Match über 12 Partien und nötigenfalls einem anschließenden Stichkampf den begehrten Titel zu erringen bzw. zu verteidigen. Auf der einen Seite der Norweger Magnus Carlsen, amtierender Weltmeister seit 2013 und noch länger deutlicher Weltranglistenerster, von den Experten als bester Schachspieler auf unserem Planeten gefeiert und im Wettkampf favorisiert. Auf der anderen Seite der etwa gleichaltrige Herausforderer Sergei Karjakin aus Russland, der seinen ersten WM-Kampf bestreitet, unterstützt und gefördert von der mächtigen russischen Schachnation, die den Titel unbedingt wieder zurückholen möchte. Trotz seiner vielfach bewiesenen Zähigkeit und Nervenstärke wurde Karjakin nur als Außenseiter gehandelt, denn alle Statistiken und die vorherigen Begegnungen am Brett sprachen für seinen Kontrahenten.
Das vorliegende Buch enthält alle Partien dieses Zweikampfs auf höchstem Niveau, der sich als weitaus enger erweisen sollte als erwartet, in gründlicher Kommentierung und mit zahlreichen Bildern illustriert. Zudem werden in vorangestellten Kapiteln die Akteure mit biografischen Skizzen vorgestellt, ergänzt um frühere Duelle gegeneinander sowie andere Glanzleistungen, die beide auf dem Schachbrett vollbracht haben.
156 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Michael Paap im Februar 2017
Im Zeitalter der elektronischen Medien ist es zweifellos als Ausnahme anzusehen, wenn ein Autor oder Autoren eine Schach-Weltmeisterschaft in Buchform dokumentieren. Jerzy Konikowski und Uwe Bekemann haben sich sozusagen dem Zeitgeist entgegengestemmt und eine Veröffentlichung zum kürzlich beendeten Match zwischen Magnus Carlsen und Sergei Karjakin vorgelegt.
Die Autoren vermitteln den Lesern zunächst einen möglichst umfassenden Eindruck der beiden Kontrahenten. In Kap.1 werden der Weltmeister und sein Herausforderer mit ihren bisherigen Lebensläufen und Schachkarrieren sowie je 5 besonders herausragende Partien vorgestellt.
Es schließt sich (Kap.2) ein Blick auf die bisherigen Treffen der Matchgegner in jüngerer Zeit (2010-16) an.
In Kap.3 werden die Leser mit der Aufforderung „Kombinieren Sie wie Carlsen und Karjakin!“ animiert, in die Haut der beiden Super-Großmeister zu schlüpfen. Präsentiert werden 24 Stellungen aus dem Schaffen der Spieler, in denen eine forcierte Zugfolge zum Matt oder einem anderen Vorteil führt. Die jeweils gefundenen Lösungen können die Leser anhand eines Punktesystems, das sich an der Vollständigkeit orientiert, bewerten und somit ihre Spielstärke messen.
Nachdem der Leser auf verschiedene Weise mit den Kontrahenten vertraut gemacht wurde, nähert sich Kap.4 dem Wettkampf sozusagen an. Die Autoren haben zwei Großmeister, Dr. Karsten Müller (Hamburg) und Gerhard Müller (Osnabrück), um ihre Einschätzung des Matches gebeten. Besonders originell wirkt der Umstand, dass es sich um Großmeister unterschiedlicher Couleur handelt. Ersterer ist GM im Nah-, letzterer im Fernschach. Der „Nahschach-Müller“ öffnete überdies seine analytische Schatztruhe und steuerte Partie- und Endspielanalysen der Kontrahenten bei.
Nach dieser ebenso informativen wie originellen „Ouverture“ wenden sich die Autoren den Partien des Wettkampfs zu. Die Kommentierung der Partien erfolgt durch eigene Analysen sowie Rückgriffe auf die Eröffnungstheorie, frühere Partien der Spieler und Referenzpartien, die hinsichtlich bestimmter Fragen Bedeutung haben. Gelegentlich fließen auch Anmerkungen aus Livekommentaren in die Anmerkungen ein.
Ein Namens- und Quellenverzeichnis sowie ein Eröffnungsregister beschließen den Text.
Insgesamt gesehen, haben die Autoren ein gediegenes Werk vorgelegt, das gleichermaßen informativ und unterhaltsam ist und die breite Masse des Schachpublikums, will sagen Vereins- und Hobbyspieler, ansprechen dürfte. Den Verfassern gelingt es, in sehr guter Weise unter die „Spitze des Eisbergs“ zu schauen. Sie versuchen, den Lesern die offensichtlichen bzw. mutmaßlichen Pläne und Absichten der Kontrahenten aufzuzeigen. Hierbei stellen sie keine ellenlangen Analysen an, sondern beschränken sich auf das Notwendigste.
Man kann mit Sicherheit annehmen, dass dieses Buch die kurzlebigen Live-Blogs und -Kommentare, die heutzutage Veranstaltungen wie eine Weltmeisterschaft begleiten, um alsbald wieder gelöscht zu werden, überleben wird und einen dauerhaften Platz in den Schachbibliotheken findet.
Weltmeister haben einen reichhaltigen Erfahrungsschatz. Sie beherrschen nicht nur die Theorie, sondern auch auf dem Gebiet der Psychologie können sie jedem Schachfreund eine Menge beibringen. Das fand in der Literatur bisher wenig Aufmerksamkeit.Schachweltmeister berichten in diesem Buch, wie sie sich auf Turniere vorbereiten, was sie während eines Wettkampfes erleben und wie sich ihr Tagesablauf gestaltet. Viele der zahlreichen Glanzpartien werden von den Champions selbst kommentiert.Die Beiträge von Steinitz, Lasker, Capablanca, Aljechin, Euwe, Botwinnik, Smyslow, Tal, Petrosjan, Spasski, Fischer, Karpow, Kasparow, Kramnik, Anand, Khalifman, Ponomarjow, Kasimdschanow und Topalow bieten Schachfreunden jeder Spielstärke viel Erfahrung, Erkenntnisgewinn und praktische Hinweise.
Mit beigelegter CD-ROM und vielen Partien von Steinitz bis Ponomarjow im CBH- CBF- und PGN-Format.
304 Seiten, gebunden, Joachim Beyer Verlag
Reihe: "Meilensteine des Schach" Band 05
Das
internationale Turnier in New York 1924 zählt fraglos zu den bedeutendsten
Turnieren der Schachgeschichte.
In einem
31-tägigen Kräftemessen sollten nochmals, 10 Jahre nach St. Petersburg 1914,
die drei Schachgiganten dieser Epoche aufeinandertreffen:
Neben dem
amtierenden Weltmeister José R. Capablanca waren sein entthronter Vorgänger
Emanuel Lasker und der künftige Champion Alexander Aljechin angetreten, eine
Auswahl hochrangiger Meister aus den USA und Europa komplettierte das
elfköpfige Teilnehmerfeld.
Das
doppelrundig ausgetragene Turnier war auch theoretisch bedeutsam in der
Auseinandersetzung mit den damals revolutionären hypermodernen Ideen in der
Eröffnung. Weithin unerwartet wurde das Turnier zum wohl größten Triumph des
55-jährigen Lasker, der mit einem phänomenalen 80%-Ergebnis und 1½ Punkten
Vorsprung seinen Rivalen Capablanca distanzieren konnte.
Es ist der
Verdienst des drittplatzierten Aljechin, dieses Ereignis in einer würdigen
literarischen Form für die Nachwelt aufbereitet zu haben.
Sein
exzellentes Turnierbuch mit 110 kommentierten Partien war richtungsweisend und
ließ ihn zu den führenden Schachautoren seiner Zeit aufschließen.
Vielfach gelobt
wurden seine gründlichen und tiefsinnigen Analysen (in Zügen und Worten!), die
in ihrer Klarheit auch für Amateure nachvollziehbar und attraktiv blieben.
Viele Kenner
reihen Aljechins Werk daher unter die besten Turnierbücher ein, die je
geschrieben wurden.
Ein
Klassiker, der immer zum grundlegenden Bestand jeder Schachbibliothek gehören
wird.
380 Seiten,
kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Reihe: "Meilensteine des Schach" Band 07
Das denkwürdige Sechsmeisterturnier zu New York 1927, das in vier Durchgängen ausgetragen wurde, versammelte einen Teil der damaligen Weltelite: Neben dem amtierenden Weltmeister J.R. Capablanca gehörten A. Aljechin, F. Marshall, A. Nimzowitsch, R. Spielmann und M. Vidmar zu den Eingeladenen. Ursprünglich war das Turnier zur Ermittlung des Herausforderers von Capablanca vorgesehen, aber auf Protest Aljechins wurde ein entsprechender Passus in der Turnierausschreibung gestrichen, wodurch sein Status als Kandidatenturnier aufgeweicht wurde. Einige Spieler der Weltspitze waren nicht vertreten, u.a. Emanuel Lasker (aufgrund einer Dauerfehde mit dem Organisator N. Lederer), Bogoljubow, Rubinstein und Réti. Das Turnier wurde souverän von Capablanca (ungeschlagen!) gewonnen vor Aljechin, der den selbst ernannten Titelaspiranten Nimzowitsch auf den dritten Platz verdrängen konnte und damit seine Positionierung als einzig berechtigter Herausforderer klarstellte.
Das Buch zum Turnier, erstmals 1928 erschienen, zeichnet sich vor anderen zeitgenössischen Werken dieses Genres insbesondere durch die Kommentierungskunst und die tiefgründigen Analysen Aljechins aus. Sie haben bis heute kaum von ihrer Faszination eingebüßt. Mit Scharfblick analysiert der Autor auch die Stärken und Schwächen Capablancas und legt freimütig eigene Vorbereitungen auf den WM-Kampf offen. Gemeinsam mit Aljechins Turnierbuch zu New York 1924 zählt dieses „Vorspiel zum Weltmeisterschaftskampf in Buenos Aires“ zu den klassischen Standardwerken unter den Turnierbüchern, es gehört in jede gut gepflegte Schachbibliothek.
178 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension:
„Das New Yorker Schachturnier 1927“ von Alexander Aljechin ist 1962 als Erstauflage im Joachim Beyer Verlag erschienen, damals mit einem Vorwort des legendären deutschen Angriffsspielers Kurt Richter. Die 2. Auflage kam dann 1982 auf den Markt, hier mit einem weiteren Vorwort des ebenfalls unvergessenen Rudolf Teschner. Nunmehr ist im späten Jahr 2014 die 3. Auflage erschienen, diesmal als Imprint des Schachverlag Ullrich im Joachim Beyer Verlag. Das ursprüngliche Buch zum Turnier, also das Original zur Veranstaltung, stammt aus dem Jahr 1928.
Soweit also ein paar Informationen zum formellen Teil der Geschichte des hier besprochenen Werkes.
Es ist ein nach meinem Empfinden sehr zu begrüßender Ansatz, dass der Verlag historische Bücher wie dieses vor dem Untergang durch Vergessen bewahrt, denn dies wäre ein schmerzlicher Verlust. Aljechin gilt geschichtlich als einer der besten Kommentatoren von Schachpartien. Man muss sich nur wenige Beispiele aus seiner Arbeit anschauen, um diesen Eindruck bestätigt zu finden. Sein Stil zeichnet sich durch drei Besonderheiten aus: Er analysiert in einer Weise, die sowohl der Wahrheit in der Partie auf den Grund gehen als auch die Ergebnisse lesbar halten will. Schlichte Seeschlangen aus Zügen sucht der Leser vergeblich. Die verfolgten Varianten werden intensiv erörtert. So erfährt der die Partie durchgehende Spieler so gut wie immer, warum ein bedeutender Zug gespielt wird, warum eine Alternative besser oder schlechter gewesen wäre usw. Man bleibt also nicht mit Rätseln zurück, die einem den vollen Zugang zum Spiel verbauen. Aljechin baut an geeigneten Stellen sogar in abstrakter Form Regeln zur Behandlung bestimmter Stellungsformen ein. In der Art „mit einem [Figur] auf [Position] sollte man [Regel zur Behandlung]“. Grundsätzlich dürften diese Anleitungen zur Stellungsbehandlung auch heute noch so wertvoll wie damals sein.
Die zweite Besonderheit in Aljechins Kommentierung ist seine Fähigkeit zu unterhalten. Auf mich wirken seine Anmerkungen wie Plaudereien, ich werde an die Atmosphäre im Schachklub erinnert, wenn man sich zu mehreren Schachfreunden mit einer frisch gespielten Partie beschäftigt. Jeder hat etwas beizutragen, einer fragt und ein anderer antwortet, und ein Dritter erinnert sich an eine ähnliche Stellung in einer anderen Begegnung, die dann so oder anders ausgegangen ist.
Letztlich versteht es Aljechin auch noch, die beiden beschriebenen Fähigkeiten ausgezeichnet miteinander zu verbinden. Damit wird die nachgehende Betrachtung eines Turnierduells für den „konsumierenden“ Leser rund. Er erfährt beispielsweise auch, warum Aljechin selbst in seinen Partien des Turniers einen bestimmten Zug in der Eröffnung gewählt hat, obwohl ein anderer gebräuchlich war und als besser galt. Die Wahl mochte auf dem Wunsch beruhen, etwas auszuprobieren (ja, auch diese Begründung findet sich im Buch, auch wenn das Turnier 1927 gerade auch für Aljechin selbst sehr wichtig war), mit der Person des Gegners und seinem Naturell im Zusammenhang stehen, aus der Turniersituation resultieren und mehr.
Im Ergebnis nimmt man die 60 Partien des Turniers, die allesamt in dieser kommentierten Form im Buch abgebildet sind, wie eine sehr gelungene Sportkommentation wahr.
Die historische Aura des Werkes hat der Verlag gewahrt, indem er das ursprüngliche Schriftbild belassen hat. Als Leser der Gegenwart sieht man also auf den ersten Blick, dass man ein Buch mit Geschichte in der Hand hält. Zugleich aber hat er den Nutzwert für den Spieler erhöht, indem er die Diagramme in einer aktuellen Optik eingearbeitet hat. Darin könnte man zwar einen Eingriff in das historische Bild sehen, aber wenn man dies als Leser überhaupt registriert, nimmt man das Erscheinungsbild aus Text und Diagrammen dennoch als harmonisch wahr. Als subjektiven Eindruck kann ich dies bestätigen.
Das Turnier, an dem neben Aljechin auch Capablanca, Nimzowitsch, Vidmar, Spielmann und Marshall teilnahmen, wurde in vier Abschnitten ausgetragen, Turnus genannt. In diesen Abschnitten spielte jeder gegen jeden, sodass der einzelne vier Mal gegen jeden Konkurrenten anzutreten hatte. Somit wurden 20 Runden gespielt, 5 in jedem Turnus. Entsprechend ist „Das New Yorker Schachturnier 1927“ aufgebaut. Im Kopfbereich der Sammlung der Partien in jeder Runde werden deren Ergebnisse aufgeführt wie auch der aktuelle Turnierstand nach dieser Runde.
Dieser herausragende Wettbewerb war besonders auch für den Verfasser des Turnierbuches, Alexander Aljechin, überaus wichtig. Er fühlte sich als legitimer Herausforderer des amtierenden Weltmeisters Capablanca und sah sich deshalb zu einer Teilnahme gezwungen, auch wenn er sich nicht in der dafür erforderlichen Verfassung befand. Um seinem Mitbewerber um einen WM-Kampf, Nimzowitsch, den Weg zu verbauen, musste er vor ihm ins Ziel kommen. Nimzowitsch spielte in den ersten Runden herausragend und fiel erst im Verlauf der zweiten Hälfte zurück. So zeigte es sich früh, dass Aljechin den ersten oder zweiten Platz würde erringen müssen, damit Capablanca an seiner neuerlichen Herausforderung, zwei Mal hatte er sich vergeblich entsprechend positioniert, nicht würde vorbeikommen können. Letztendlich gelang ihm dies, er erhielt tatsächlich seinen WM-Kampf und gewann den Titel in Buenos Aires im Jahr 1927.
In einem langen Prolog äußert sich Aljechin intensiv zur Lage in der seinerzeitigen Weltelite im Schach. Er ist sehr spannend zu lesen, außerordentlich informativ und er gibt einen intensiven Einblick in das zeitgenössische Umfeld. Spieler wie Lasker, Bogoljubow, Reti und Tarrasch beispielsweise fehlten im Turnier, Lasker beispielsweise aus Gründen eines Dauerstreits mit einem Organisator. Dies nahm dem Turnier damals einiges an Reputation, dennoch gab es den Ausschlag für Aljechins erfolgreiches Streben nach einem Titelkampf. Der private (Geld-) Einfluss war sehr hoch, ein Vergleich mit der Besetzung in heutigen (Inter-) Zonenturnieren fällt deshalb bisweilen etwas schwer.
Im Prolog werden Sympathien und Antipathien zwischen den Spielern deutlich, auch wenn wohlgewählte Worte eine formelle Korrektheit zeigen. Aljechin analysiert die Fähigkeiten der teilnehmenden Spieler wie auch deren Mängel auf dem Brett. Damit unterstreicht er die eigentlich erste Phase einer Schachpartie, nämlich die Vorbereitung auf den Gegner. Indem er sich entsprechend auf dessen erkannte Stärken und Schwächen einstellte, verschaffte er sich einen Vorteil gegenüber dem nicht so handelnden Kontrahenten. Freimütig zeigt er auch einen Teil seiner eigenen Vorbereitung auf den WM-Kampf gegen Capablanca auf, teilweise direkt und teilweise auch nur zwischen den Zeilen.
Unabhängig davon, ob dies ein Gewinn für den Leser für dessen eigene Praxis der Vorbereitung auf Turnier und Partie sein kann, ist der Prolog insgesamt sehr spannend und fesselnd zu lesen. Er trägt dazu bei, dass „Das New Yorker Schachturnier 1927“ rundum ein beeindruckendes Turnierbuch ist, das auch heute noch beinahe ungemindert wertvoll erscheint.
Fazit: Ich kann jedem Schachfreund, der Unterhaltung zugleich durch mustergültig kommentierte Partien und Informationen zum Weltschach vor 90 Jahren sucht, sehr zum Kauf empfehlen.
Uwe Bekemann, Januar 2015
Reihe: "Meilensteine des Schach" Band 09
VIII. Schacholympia München 1958
Die seit 1927 von der FIDE ausgerichteten Schacholympiaden gehören zu den Höhepunkten des internationalen Turniergeschehens, die stets eine außergewöhnliche Attraktivität ausüben. Einige dieser Mannschaftsweltmeisterschaften fanden auch auf deutschem Boden statt – Hamburg 1930, München 1936 (keine offizielle Olympiade), München 1958, Leipzig 1960, Siegen 1970 und Dresden 2008 –, sie alle sind ausführlich in Buchform dokumentiert worden.
Die 13. Schacholympiade, die 1958 im Münchner Deutschen Museum zum Ausklang der 800-Jahr-Feier der bayerischen Metropole ausgetragen wurde, verzeichnete einen vorläufigen Rekord mit 36 teilnehmenden Nationen und 207 Spielern. Dass die nach dem Zweiten Weltkrieg langjährig dominierende UdSSR auch diesmal im Kampf um den Hamilton-Russell Cup siegreich war (in der imposanten Aufstellung Botwinnik, Smyslow, Keres, Bronstein, Tal, Petrosjan), konnte nicht überraschen, ähnlich die Folgeplatzierungen 2. Jugoslawien und 3. Argentinien. Die BRD landete in der Finalgruppe A auf dem 7. Platz hinter dem punktgleichen DDR-Team, das sensationell Rang 6 erreichte (nach seinem deutlichen Sieg gegen die BRD). Weitere Mannschaften aus dem deutschen Sprachraum waren die Schweiz (8.) und Österreich (12.).
Die bewährten Schachautoren Alfred Brinckmann und Kurt Richter haben dieses hochkarätige Ereignis für die Nachwelt aufgearbeitet, eine Auswahl der interessantesten Partien und Partiefragmente kommentiert sowie Tabellen, statistisches Material und eine Reihe von zeitgenössischen Fotos beigesteuert. Auch wenn die Olympiade in die Zeit des Kalten Krieges fiel, so zeugt das Buch doch vom offenbar erfolgreichen Bemühen der Organisatoren und Spieler um Völkerverständigung und Freundschaft, getreu dem FIDE-Motto Gens una sumus („Wir sind eine Familie“).
160 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
19,80 €*
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